Pebble Time Round: Die schönste Smartwatch ohne Zielgruppe

Viktor Dite, Autor des Beitrags

Von - Publiziert in Tech Gadgets Tests in deutsch
Dipl. Informatiker und Tech-Blogger seit 2006.


Mit der Pebble Time Round veröffentlichten die Entwickler der einstigen Kickstarter-Sensation eine Smartwatch, die die Konkurrenz optisch in den Schatten stellt und sogar mit regulären Uhren konkurrieren kann. Dennoch weist die Pebble Time Round einige Altlasten auf, die das Gesamtpaket stark beeinträchtigen. In diesem Artikel gehe ich dem auf den Grund.

Pebble Time Round vs. Apple Watch

Ich hatte meiner Freundin zum Geburtstag eine Pebble Time Round geschenkt – blöderweise ohne sie vorher ausgiebig zu testen. Nach mir das Teil einige schlaflose Nächte bereitet hat, habe ich es gestern gegen eine Apple Watch Sport getauscht.

Pebble Time Round

  • Ooh, wie schön!… Was ist das?
  • Erste erfolglose Wischversuche auf dem Display.
  • Navigationsversuche mit den Buttons, langsam wird das System klar.
  • Ich kann Wecker stellen, Schritte zählen und bekomme Benachrichtigungen. Was noch?
  • Suche nach neuen Watchfaces, Voice Reply und einer Einkaufsliste, zu der man per Sprache Einträge hinzufügen kann. Ersteres geht einfach, zweiteres mit Workaround, drittes gar nicht.
  • App für Hue installiert, funktioniert nur halblebig.
  • Okay, hübsch.

Apple Watch

  • Ooh, eine iWatch (sic), du spinnst!
  • Guck mal, ein Schmetterling! (Watchface selbständig geändert)
  • Sucht nach Kontakten, mein Telefon klingelt: Haha, ich telefoniere mit meiner Uhr!
  • Google Maps ist auch schon installiert!
  • Startet Musik-Playback von der Uhr aus
  • Yay, Runtastic ist auch schon drauf!
  • Installiert Notizenapp für Einkaufsliste.

Im Original als Google Plus Beitrag

Pebble, nett aber absolut nicht zu Ende gedacht

Im Jahr 2012 sorgte das Kickstarter-Projekt Pebble für großes Aufsehen in der Tech-Branche und darüber hinaus, stellte es doch das erste praktikable Smartwatch-Konzept dar. Kompatibilität mit den gängigen Betriebssystemen Android und iOS sowie eine Akkulaufzeit von einer Woche konnten die Unterstützer begeistern, und so läutete sie fast im Alleingang das Zeitalter der Smartwatches ein.

Seit damals ist die Smartwatch in aller Munde – gleichwohl aber noch nicht im Mainstream angekommen. Google hat mit Android Wear seine eigene Plattform geschaffen, die wie das Smartphone-Betriebssystem Android verschiedenen Händlern zur Verfügung gestellt wird, und im April 2015 wagte auch Apple mit der Apple Watch den lange erwarteten Sprung in den Wearable-Sektor.

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Pebble Time Round: Wegweisende Smartwatch im neuen Kleid

Beide Systeme lassen die Entwickler der Pebble nicht unbeeindruckt, verbinden sie doch modernste Technologien mit modischer Finesse: Neben der hervorragend gefertigten Apple Watch weisen etwa Android Wear-Geräte wie die Huawei Watch und die Moto 360 große Ähnlichkeit zu herkömmlichen Uhren auf. Die Smartwatch, so der Anspruch, soll nicht mehr und nicht weniger Aufmerksamkeit erregen als herkömmlicher Schmuck.

Entsprechend folgten im Jahr 2015 gleich 3 weitere Modelle: die Pebble Time und Pebble Time Steel Anfang des Jahres, die Pebble Time Round im November. Während alle mit einem runderneuerten Betriebssystem namens Timeline ausgestattet sind legt besonders letztere Wert auf ein ansprechendes Äußeres: Statt klobigem Plastik oder Metall bietet sie ein rundes Gehäuse, das mit 7,5 mm Höhe kaum von dem einer regulären Uhr unterscheidbar ist. Varianten mit unterschiedlich gestalteten Gehäusen in Schwarz, Grau, Gold und Roségold sowie verschiedene Armbandoptionen machen die Pebble Time Round nicht nur zur schönsten Smartwatch am Markt, sondern ganz objektiv zu einer wunderschönen Uhr. Wäre da nicht

Der Display-Anachronismus

Kommen wir nun also zum zweiten, weniger positiven Teil der Überschrift. Denn während die Pebble Time Round in der optischen Gestaltung restlos überzeugen kann, werden ihr die Features zum Verhängnis, die Pebble einstmals überhaupt so herausragend gemacht haben. Nach wie vor verfügt die Uhr lediglich über ein einfaches ePaper-Display, das zwar nunmehr 64 Farben darstellen kann, aber damit weit hinter den 16 Millionen Farben gängiger LCDs und AMOLED-Screens her hinkt. Außerdem setzt auch das neue Timeline-OS auf die Navigation mit 4 Hardware-Buttons, statt auf eine zeitgemäße Touch-Eingabe.

Weder Bedienung noch Display der Pebble Time Round erfüllen die hohen Erwartungen, die das schicke Gehäuse weckt.

Was zunächst nach einem trockenen Vergleich von Spezifikationen klingt, der besonders in Tech-affinen Kreisen für Diskussionsstoff sorgen könnte, schlägt sich aber ganz gewaltig in der grundlegenden Existenzberechtigung der Smartwatch nieder. Auf das Essenzielle heruntergebrochen: Weder Bedienung noch Display der Pebble Time Round erfüllen die hohen Erwartungen, die das schicke Gehäuse weckt. Und damit wird ihr eben das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu ihren Vorgängern zum Verhängnis: Wenn die Gestaltung einer Uhr so schön ist, dass sie Frauen und Männer auch außerhalb der Tech-Branche tragen können, dann müssen auch die übrigen Aspekte, hier also Display und Bedienkonzept, diesem Niveau gerecht werden. In seinem schicken Rahmen aber wirkt das Display geradezu wie aus einer vergangenen Zeit.

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Dieser Bruch zieht sich noch weiter durch das System. So verfügt die Pebble Time Round zwar über ein Mikrofon, das Beantworten von Nachrichten per Spracheingabe ist allerdings (momentan) nur möglich, wenn die Uhr mit einem Android-Smartphone gekoppelt ist. Ebenso gibt es wenige Drittanbieter-Apps, die sich die Spracheingabe zunutze machen (können). Generell scheint die Auswahl von Anwendungen ebenso begrenzt wie deren Mehrwert. So entsteht nach und nach der Eindruck einer wunderschönen Smartwatch, die aber hinsichtlich der zweiten Hälfte ihrer Daseinsberechtigung – nämlich dem smarten Aspekt – scheitert.

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Pebble Time Round: Hübsch aber in der UX eine Zumutung

Persönlich konnte ich diese Aspekte der Pebble Time Round dank meiner Freundin (kein IT-Profi aber interessiert an neuer Technologie) beobachten: Mit der Uhr konfrontiert freute sie sich zunächst über das hübsche Äußere, scheiterte aber umgehend mit ihren Wischgesten auf dem Display.

Nach dem Einstellen des Watchface, über dessen grobe Pixel sie sich amüsierte, folgte schnell die Frage: „und jetzt?“ Die Steuerung für Philips Hue sorgte beispielsweise für kurze Freude, die jedoch wiederum durch die begrenzte Funktionalität –  entweder alle Lampen ein oder alle Lampen aus –  eingeschränkt wurde. Weitere Apps, die sie sich wünschte, wie etwa ein Notizzettel mit Spracheingabe, war schlicht nicht auffindbar.

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Als sie zum Vergleich die Apple Watch anlegte hatte sie die Touch-Navigation durch Benachrichtigungen, Apps und Glances in kürzester Zeit verinnerlicht. Anwendungen von ihrem iPhone installierten sich selbst im Hintergrund und die Freude war groß, als sie ihr Runtastic-Workout auf der Uhr starten konnte. Das Telefonieren ohne das Smartphone in die Hand zu nehmen tat sein Übriges.

Wer die Plattform besitzt, bestimmt den Markt

Sicherlich haben Google und Apple eine deutlich bessere Ausgangssituation, da sie jeweils eine Plattform besitzen, mit der ihre Uhren auf Systemebene interagieren können. Dies und die damit einhergehenden Einschränkungen waren zum Erscheinen der originalen Pebble 2012 schon bekannt, dank des niedrigen Preises von 150 Euro aber ein akzeptabler Kompromiss.

Nun, da sich die Pebble Time Round aber in Preisregionen um 300 Euro bewegt (online-exklusive Modelle, reguläre Modelle im Einzelhandel ab 229 Euro), muss sie sich aber mit anderen Uhren dieser Preisregion vergleichen lassen, etwa der besagten Apple Watch (ab 329 Euro) oder Android Wear-Modellen wie der Fossil Q Founder (ab 249 Euro). Reguläre Uhren mit ähnlicher Optik gibt es etwa von Skagen (ab 120 Euro).

Die Hardware optisch in eine Richtung zu entwickeln, die den modebewussten Mainstream anspricht, dabei aber an einem veralteten Display- und Bedienkonzept festzuhalten, was den Mainstream abschreckt, ist offensichtlich keine gute Idee. So bleibt als kleine Zielgruppe doch nur der tüftelfreudige IT-Kenner, der Wert auf das modische Äußere seiner Uhr legt.

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